‚Hör mal Rudi, hör mal, lass es sein. Hör mal Rudi, hör mal, lass es sein …‘ *
Das wohl geflüstertste Lied aller Zeiten. Sphärische, langezogene Klänge wie Walgesang, aber wie irre performt von einem schmutzigen Kerl mit kariertem Hemd, der verschwitzt im Fond eines abgewrackten, tonnenschweren Trucks schuftet: ‚Besser du fährst Auto und ein andrer lenkt‘ flüsternd. Grotesk. Paradox. Verstörend. Nie war die Welt desolater. Nie war der Alleinemensch alleiner. Die Szene trägt geradezu autistoide Züge, könnte Frieden stiften, wäre da nicht der atonale Motorenlärm. Der apokalyptische Reiter der Moderne ist ein Kerl mit Schaum vorm Mund, der wie von Zauberlippen getrieben vor sich hin flüstert und in einer explosiven Szene spritzenden Schlamms eine Welt besingt, von der man nur eines mit Sicherheit weiß:
Verlasse diesen Ort so schnell du kannst! Da, schau nur, da vorne, das Gärtchen, bis dort hin musst du es schaffen, großer tapferer Schlammreiter, denn kalt wie ein Stein schlägt dein Herz. Nicht! Nur du, das Lenkrad, die hunderte PS starke Maschine und die Pflicht zum Schlammwühlen.
Jaja, der feine Traum vom Paradies, wer kennt ihn nicht. Wir wissen nicht, was die Doppelzüngigkeit in Heiko Moorlanders Gemüt ausgelöst hat, was ihn dazu brachte, flüsternd und dennoch schreiend paradoxierend der Erde den Hintern aufzureißen, ein letztes Mal, denn da vorne, da wartet das Paradies, siehst du die feinen Obstbäumchen deiner Kindheit, die du erklettertest? In deren Geäst du waghalsig balanciertest, um die reifsten Früchte zu pflücken.
MudArt gilt als die brachialste Kunstrichtung aller Zeiten. Dennoch gibt es theoretische Überlegungen, dieses von Maschinen dominierte Kunstmetier zu toppen. Die Szene ist gespalten. Die einen verteufeln die neue Idee, andere wenden sich ihr, getrieben von finanziellen Interessen, willenlos zu.
Als jüngst bekannt wurde, dass der Ex-MudArt-Künstler Bruce Herrkertz (ein Enkel Bruce Mc Candless, des ersten Menschen, der ohne Sicherungsleine frei im Weltall schwebte) einen Werbevertrag mit SpaceX abgeschlossen hatte, läuteten in der Szene die Alarmglocken. Die Schlammkünstler verlassen die Erde und erobern den Weltraum.
Eine wahrhaft ‚Schlammbrische Explosion‘ steht bevor, wenn sich demnächst weitere Schlammkünstlerinnen und -künstler in den Weltraum begeben und mit Raumschiffen das All durchpflügen, um dort filigrane Partikelspuren zu hinterlassen.
Mag sein, mag sein, dass genau dieser Konflikt in des flüsternden Schlammwühlers Hirn grassierte, dass er über den Weltraum nachdachte, und dass er womöglich damit liebäugelte, das irdische, von sinnloser Gravitation belastete, unendlich schmutzige, Dieselruß geschwängerte Künstlerdasein an den Nagel zu hängen und nach den Sternen zu greifen.
Aber wäre das nicht die Hölle? Hör mal Rudi, lass es sein mit dem Raumschiff, lasse es sein. Wenn Du so wie ich von ganz weit unten kommst, weißt du alles, aber glauben kannst du gar nichts mehr. Hör mal Heiko, hör mal …