MudArt ist die staubigste, dunkelste, selbstzerstörerischeste Art der Vergangenheitsbewältigung
(Heiko Moorlander).
Dunkle Wolken liegen über Gebäude 4004. In den Morgenstunden eines Spätsommertags 2014 rückt eine Fahrzeugkolonne an, um das Bauwerk dem Erdboden gleich zu machen. Der alte, heruntergekommene Bau hat eine lange Geschichte meist militärischer Natur. Konstruiert in den 1930er Jahren federführend durch Reichsarchitekt Albert Speer persönlich, diente das Gebäude zunächst als Schulungszentrum der ersten Zweibrücker Pimpf-Brigade, einer Sondereinheit für Kinder zwischen sechs und acht Jahren. Damals hieß das Gebäude noch nicht 4004, sondern Bollwerk Kriemhild.
Nach dem Weltkrieg wurde ‚Bollwerk Kriemhild‘ Teil einer amerikanischen Kaserne auf dem Kreuzberg. In den sechziger und siebziger Jahren war es ein Offiziersheim, bis es Anfang der 1980er Jahre zur Schule umgewidmet wurde. Die Spuren ausschweifender Gelage im Offiziersheim waren bis zum Abbruch noch unter den in Fetzen hängenden Tapeten zu erkennen. Nach Jahren der Brache und kontroversen Debatten, ob der geschichtsträchtige Bau abgerissen werden darf, gab die untere Hochbaubehörde Südwestpfalz im März 2014 grünes Licht für den Abriss.
Endlich!
Hier kommt MudArt Künstler Heiko Moorlander ins Spiel. Zwei Jahre seines jungen Lebens besuchte der gebürtige Klagenfurter die American Highschool auf dem Zweibrücker Kreuzberg. Seine Mutter, die Elitesoldatin Ellie Deborah Moorlander-Koller übte eine Lehrtätigkeit an der Eliteschule der amerikanischen Kaserne aus.
Keine gute Zeit für einen Jungen, der nur Flausen, Schlamm und Spuren hinterlassen im Kopf hat. So ist es kein Wunder, dass aus dem verträumten Freigeist mit dem Kärntner Akzent das perfekte Mobbingopfer wurde für die Kinder der anderen Soldatenfamilien.
I spent two years of my life in HellOnEarth but I always felt a bit not to be on earth while beeing in hell.
Das zweideutige Zitat stammt aus einem Moorlander-Interview für den Nebraska MudArt Chronicle. Es sagt alles.
Die Genugtuung steht Heiko Moorlander ins Gesicht geschrieben, als er an diesem Spätsommertag des Jahres 2014 mit seinem 1998er Buik Allbite, genannt der Beißer, den Bautrupp anführt, um seine ehemalige Schule abzureißen. Das Happening gerät zur Kunstaktion. Wann hatte je ein Bub die Chance, seine eigene Schule abzureißen?
Die Hautevolee der MudArt-Sammlerinnen und Sammler weltweit hat sich einfliegen lassen, um der ‚First Dekonstruction Of All Of Your Knowledgebases‘ beizuwohnen.
Staubmasken wurden verteilt. Und Taschentücher für die weichbesaiteteren unter den Anwesenden. Um die Tränen zu trocknen.
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