Ebenso fatal wie faszinierend stellt ‚Windcrafter‚ den Auftakt einer Trilogie dar.
Der Künstler auf Kriegsfuß mit sich selbst? Vom Saulus der Naturzerstörung zum Paulus der Erneuerbaren? Die Pressemeinungen sind vielfältig. Je nach Lager erfährt Moorlander herbe Kritik bis hin zu wüsten Shitstorms. Die ‚linke‘ Presse hingegen ist voll Lobes:
Hier weicht einer entschieden ab von den alten ausgelatschten Pfaden. Beim Einöd-Schlammkunst-Event 2021 brilliert der MudArtist Heiko Moorlander mit einer exakten, professionell ausgeführten Arbeit und düpiert gleichsam alt eingesessene Fans und seine Sponsoren. Eine Schlammschlacht sondergleichen … unter Polizeischutz geleitete man den Rebellen durch die wütende Menge zum Ausgang … (Bernd Eders für den Einöder Landboten)
Das Schlammkunstwerk blieb nur wenige Stunden erhalten, bevor es von einem brutalen Mob, der die Absperrungen durchbrechen konnte zertrampelt wurde. So verliert sich die Spur des Abweichlers unter den malmenden Füßen alter, weißer Männer, die wie gewohnt auf Dieselmotoren starren.
Jahrzehnte lang kein Regen. Feuerroter Sand an wie von einem japanischen Origamikünstler gefalteten Sandsteinbergen, stahlblauer Himmel und ein nächtliches Sternenfirmament, das auf der ganzen Welt seines Gleichen sucht. Jahrhundertelange Stille, einzig gebrochen vom ewigen Wind, der es vom fernen Pazifik hier herauf schaffte in die eiskalten, unendlich trockenen Gefielde der Atacama-Wüste. Dies ist das Setting für Nice Dry. Eines der wenigen Standalone-Kunstwerke des austroamerikanischen Mudart-Künstlers Heiko Moorlander. Im Auftrag der brasilianischen Kunstsammlerin Isobello Jonquer del Ruiz war es am Morgen des 4. Mai 2021 vorbei mit der jahrhundertelangen Stille in dem bis Dato vom Menschen unberührten Valle de la Luna. Ein Tross tonnenschwerer martialischer Maschinen amerikanischer Bauart bahnte sich seinen Weg durch den Sand. Darunter auch ein Tanklaster mit dreißig Kubikmetern Wasser. Dort wo sich sonst Geier und Lama Gute Nacht sagen, röhrten nun die Zwölfzylinder, grub sich viele Zoll breites, spezial gefertigtes Hartgummi in die Erde. Auf einem sportplatzgroßen Areal, das durch die kostbare Fracht aus dem Tanklaster ‚vorbereitet‘, sprich beregnet wurde, konnte man kurze Zeit später den Künstler erleben beim Bau von Nice Dry. Nach Vorstudien im Death Valley im vergangenen Jahr, ging der MudArtist mit präziser Eleganz aufs Ganze. Nur einen Versuch würde er haben, denn das Wasser ist knapp. Das Wasser ist aufgebraucht, es gibt nur noch Diesel in den Tanks und die Wüste holt sich jeden Tropfen innerhalb kürzester Zeit. Unter den Augen einer eloquenten brasilianischen Kunstclique um die Auftraggeberin Isobello Jonquer del Ruiz gelang ein Handstreich, den niemand für möglich gehalten hatte. Eine höchst umstrittene Aktion.
Es sei gut für den Tourismus, sagt man. Es sei gut für die Wirtschaft, sagt man. Es sei gut für Land und Leute, sagt man. Es bringe Geld in die Region, Wohlstand und Glück. Bullshit, Mierda. Muy Grande Mierda! Nennen wir das Lama doch beim Namen: ‚Nice Dry‘ ist eine perverse Umweltsauerei einer Bande nordamerikanischer Gringos, die nichts anderes können, als lärmen, stinken und plattwalzen. (Rodrigo de la Parera für den San Pedro de Atacama Mensajero del país).
Sicher kein Ruhmesblatt. Nice Dry zählt zu Moorlanders umstrittensten MudArt-Aktionen. Zu Recht fragt man sich, wie weit darf ein Künstler gehen? Wie egoistisch, wie weltfremd, wie … ja, das Thema Geld natürlich … wie gierig kann ein Mensch werden? Immer wieder fragen sich Sammlerinnen und Sammler, Fans aus aller Welt, wie kam es dazu? Wie konnte sich der feine Junge, der einst die Ameisen in seinem Sandkasten evakuierte, bevor er mit der Gießkanne Wassergräben füllte, so sehr von sich selbst entfremden?
Der Sandkasten vor unserer Mietskaserne in den Klagenfurt Airfield Barracks war bis zu meinem siebten Lebensjahr der entfernteste Ort der Welt. Dort war ich frei, fühlte mich sicher und geborgen … (Zitat aus Scratched in The Sandbox)
Geld! Geld! Geld! In der Fachwelt ist man zerstritten. Das eine Lager bejubelt ohne Hinterfragung, während die Gegenseite bestürzt die dunkle Seite der MudArt beäugt und sich fragt, ist denn Geld tatsächlich alles?
Seiner panischen Angst vor Wasser zum Trotz, ließ es sich das MudArt-Rauhbein Heiko Moorlander nicht nehmen, am 3. internationalen MudArt-Convent im holländischen Dörfchen Hongerige Wolf eine Spur ‚of outstanding impression‘ (Ed Korman) zu hinterlassen.
Es mag der langen Rivalenschaft mit dem niederländischen Landartisten Ron Felderskoop geschuldet sein, dass Moorlander seine Phobie überwand.
Im vollen Bewusstsein, mit einer tonnenschweren Maschine, die kaum höher ist als eine friesische, reetgedeckte Kate, mehrere Meter unter dem Meeresspiegel zu arbeiten, gelang ein präzises Kunstwerk von außergewöhnlicher Aussagekraft. Einzig der unheimliche, amorph wirkende Nordseehauptdeich trennte den Künstler vor der Bedrohung durch das Meer, das am Tag des Erschaffens von ‚Under Water‘ eine Flut von zwei Meter über dem Mittel erreichte. (Piet Modderstroom, Gröningen’s Landboodschapper).
Nur wenige Menschen werden sich vorstellen können, welche Überwindung es den Künstler gekostet haben muss. Unbedarft beäugt von friedlich am Deich grasenden Schafen saß da ein Wesen wie von einer anderen Welt in seiner monströsen Dieselrußmaschine, bekleidet mit Neopren und Taucherbrille, auf dem Beifahrersitz eine Phalanx Pressluftflaschen. Gewiss dessen, dass bei einem Deichbruch die Maschine, der Fahrer und all seine verzweifelten Selbstschutzmaßnahmen versagen würden und in einem kalten, nassen Grab für immer verloren wären. Ein geradezu groteskes Bild, das die Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und dem was das menschliche Hirn im inneren eines denkenden, fühlenden Wesens anrichten kann brutal pointiert.
Laut singend „I’ll be Your Trucker and You are my Acker“, berichten Zeitzeugen, habe Heiko Moorlander fröhlich die Servolenkung seines 63er MAN MultiTOOL mit Sechsradantrieb betätigt und beschwingt konzentriert an seinem MudArt-Kunstwerk Green Planet gearbeitet.
Waren Drogen im Spiel? Vermutlich ja! Anders lässt sich die eigenwillige Linienführung seines Kunstwerks nicht erklären. Zunächst weicht der Ausnahme-Mudartist in der von jungem Grün dominierten, großflächigen Arbeit von der geraden, vorgegeben Spur ab und schlingert wie zufällig dahingerotzt auf eine weitere Strenge im an sich langweiligen Acker hinzu. Erst links, dann rechts, eins fallenlassen und dann wieder links …. da, sieh an! … beinahe hat er sich gefangen, beinahe könnte er zurückkehren auf eine weitere der salonfähigen Fahrspuren im Lehm des agrikulturellen Mainstreams, aber nein, der Weg sollte anders verlaufen.
Nur kurz tangiert das für mehrere Millionen Dollar an eine naurutische Kunstsammlerin verkaufte Kunstwerk den sprichwörtlichen „Pfad der Tugend“, um sich sodann in der Ferne, nur um Haaresbreite einen Starkstrommasten umlaufend, zu verlieren.
Alles kommt aus dem Nichts und alles geht ins Nichts. Dazwischen, ganz bescheiden, unsere eigene kleine Spur. Der Mythos des antiken Labyrinths lebt hoch in Moorlanders Green Planet. In Schlingen ums Ziel schleichend, sich ihm bis auf wenige Meter nähernd, um sich sodann wieder zu entfernen und in selbst gewählten äußeren Umläufen die Warteschleife des Lebens zu vollenden … was passt hier besser, als laut schallend durchs offene Fenster des Monstertrucks zitierend aus Achim Reichels Ausnahme-Werk „Die grüne Reise“ zu singen (frei nach „I’ll be Your Singer and You’ll be my Song“).
(Ed Korman im Feuilleton des Saarpfälzer Landboten, März 2021)
Zwei konträre Stimmen zu den Schwarzwälder Schlammkunsttagen 2020.
„Mal gewinnt man, mal verliert man, komm’se raiinn Dam’und’Herrn, komm’se raiiinn“ – schnoddrig dahingerotzt wie von einem Jahrmarktsschreier, so der erste Eindruck, den man gewinnt, wenn man dieses Kunstwerk nur oberflächlich betrachtet. Was ist zu sehen? Ein Pfosten, ein Fetzen Teer, Wiese, Berge und eine messerscharfe Spur, die sich wie die Gräten eines Fischs aufspreizt.
(Ed Korman für das Baden Badener Magazin ‚Kur mit Spur‘.
Das Berliner Schlammkunst-Szeneblatt ‚Neuer Spritzer Mitte‘ berichtet kontrovers. Reporterin vor Ort, Cinderella O’Connor, titelt: ‚Viel Matsch um nichts‘, gefolgt von einem gnadenlosen Verriss von Moorlanders Pole Position. Das ‚Machwerk‘ sei herrisch und arrogant. Die gewählte Perspektive, hoch oben über dem Tal, gebe deutlich zu verstehen, was der berühmte Künstler von seinen Kolleginnen und Kollegen beim Forêt Noir en Gachis Festival (so der binationale Name) hält, nämlich nichts. Nichts als schmutziges Gesprenkel am Hosenbein des Kunstgotts.
Ganz anders wirkt da die großartige Arbeit des Berliner Newcomers Maik Schlammbrenner. Völlig unprätentiös schmiegt sich dessen Werk ‚zur Tiefe des Gebirgs‘ zwischen grünen Wiesen und glücklichen Kühen. Ein Mensch in seiner Zeit hinterlässt seine Spur und gibt sich dabei doch bar jeglicher Martialik.
Glaube und MudArt. Zwei grundverschiedene Sphären, denen man auf den ersten Blick nichts Gemeinsames zutraut. Luftgeboren, nicht greif-, noch sichtbar das Eine, Privatsache zudem und seit Jahrtausenden von Menschen umstritten, blutig missioniert, Wunden aufreißend, die sich nur sehr langsam schließen, wenn überhaupt. Des Menschen Glauben sind so vielfältig wie die Spezies selbst.
Im Kontrast dazu Dieselruß produzierende Maschinen. Kraftstrotzende Monster aus Stahl. Hartgummibereifung, wenn nicht gar Ketten, und am Steuer der seelenlosen Gebilde mit dem schier grenzenlosen Hubraum tollkühne Kerle und raubeinige Frauen, die vor Publikum buhlen, wenn sie bei MudArt-Festivals, Kunstausstellungen, Contests und anderen Zusammenkünften auftreten. Events, deren einziger Zweck es ist, die eleganteste Kreation in die Erde zu ritzen. Da ist nichts Religiöses, möchte man sagen. Da herrscht das Gesetz des Besseren. Triumph oder Untergang!
Das kleine, feine MudArt-Festival ‚Spirit of the Mormons‘ im beschaulichen Städtchen Brainwash/Utah beweist, dass Beides doch zusammengeht. Sogar sehr gut.
Erschaffe Deine Wunde. Zeige Deine Wunde. Reiß‘ die Erde auf, bringe die Saat aus. Lasse es wachsen. Ernte. Heile die Wunde und versöhne dich.
Die Eröffnung des SOM-Festivals (Spirit of the Mormons-Festival) am Pfingstwochenende 2020 durch Reverend Jenns E. Shmidddt geriet zu einer Mischung aus Gottesdienst, Andacht und Laudatio. Jenseits des kleinen Städtchens hatte man ein vier Acres großes Gelände hergerichtet, auf dem normalerweise Mais und Getreide angebaut wird. Ein fruchtbarer Acker, der für einen Moment zu Stillstand verurteilt wurde, um kurzerhand gestraft, begnadigt und rehabilitiert zu werden. Ein tief gläubiger Prozess unter der Regie von Zerstörung in der Gewissheit, dass Heilung und Versöhnung immer möglich sein werden.
Eine handvoll internationaler Mudartisten, Heiko Moorlander (A/USA), Lucy Van Damme (NL), Kim Un Kim (KP), Frank-Ferdinand Berliner (D), Romain d‘ Alsace (F) und Katharina Bukowskaja (RU) arbeiteten bei dem monumentalen kollektiven Kunstwerk ‚The Genesis Fields Experiment‘ zusammen. Kaum erkennbar, wer welche Spuren hinterließ, aber …
[…] die Gesamtkomposition ist stimmig und der Würde des Ereignisses angemessen. Alle schaffen zusammen für ein großes Ziel. Kein Ego, das hervorsticht, niemand, der auf Teufel komm‘ raus gewinnen möchte und sich mit Ellenbogen durchsetzt. Ein kleines So-sollte-es-immer-sein in dieser verwüstetsten aller Welten. Glaube und MudArt, das hat das Kollektiv bewiesen, geht gut zusammen und es ist möglich, zwar nicht einfach, aber es ist möglich, die Schranken nationaler Zwistigkeiten niederzureißen. (Ed Corman für den Saltlake City MudArt Chronicle).
Fälschlicher Weise wird das vorliegende MudArt-Kunstwerk ‚The Teeth State gerne Moorlanders ‚Teeth ’n‘ Trouble“ Serie aus dem Jahr 2008 zugeordnet.
Die einfache Logik: Zacken, Straße, Gummi und eine beklemmende Strenge der Raumaufteilung, wie sie wohl nur einem Dentisten zugetraut wird, der sich auf Zahnfehlstellungskorrekturen bei Minderjährigen spezialisiert hat.
Weit gefehlt! Tatsächlich erzählt dieses als verschollen geltende Kunstwerk aus dem Jahr 2018 die Geschichte eines angeblichen europäischen Zwergstaats, der sich tief in den Alpen in einem kaum zugänglichen Gebirgstal befindet. Mockumentary meets MudArt sozusagen. Zumindest in den USA, wo das Kunstwerk auf einigen MudArt Conventions gefeiert wurde, fruchtete die Kunde vom kleinen, bis an die Zähne mit Atomwaffen bewährten Teeth State als bizarrer Gegenpol zum allgemein durch Disneys Traumindustrie propagierten Bild vom Blümchen überwucherten Heidiland.
Eines Tages, Junge, wirst du dich umringt sehen von Bluthunden. Fletschenden Mauls zerren sie an imaginären Ketten, die sie zurückhalten … wovor eigentlich? Wie einem bösen Traum entsprungen markiert Fly Away Truck, jenes Ensemble aus Teer, Schmutz und Stahl, garniert mit der Flüchtigkeit eines nicht mehr ganz neuen Radladers deutscher Bauart einen Meilenstein der Meta-Mudart.
Maschinen, Maschinen und Spuren … wir wollen hier nicht unnötig gomringisieren, was nicht gomringisierbar ist, schreibt Ed Korman für den Massachusetts Mud Herald und hebt dabei an zu einem Loblied auf den Künstler, die Kunst und die gesamte MudArt-Maschinerie.
Das Kunstwerk Fly Away Truck datiert auf das Jahr 2018 Es wechselte erst kürzlich bei einer Versteigerung den Besitzer und befindet sich nun in der Privatsammlung eines anonymen Sammlers. Es erlangte aktuell hohe Brisanz, steht es doch wie eine Vorwegnahme der Realität des schmutzigen amerikanischen Wahlkampfs zur Präsidentenwahl 2020.
Wie aus dem Nichts umringten wenige Tage vor dem Wahltag eine beträchtliche Zahl Geländewagen und SUVs mit republikanischen Farben und Symbolen den Wahlkampftross des demokratischen Herausforderers Joe Biden. Auf einer Interstate irgendwo im Nirgendwo verhinderten die nicht gerade freundlichen Insassen die Weiterfahrt. Don’t Fly Away Truck. Eine schmutzige Persiflage auf das berühmte Kunstwerk.
Große Konzertbühne, gnadenlose Gitarre, martialisches Schlagzeug, herber Gesang, Nebelmaschine, Dampf und Feuerzeuge und ein im Rhythmus wogender, proppenvoller Konzertsaal und ganz vorne in der Mitte zwei Jungs, die sich knuffen und freuen, mitsingen und tanzen. Ein Bild aus glücklichen Tagen.
Die Bubenfreundschaft wurde zur Kumpelei und später, so munkelte man, war da auch noch mehr. Einer der beiden hieß Uwe. Der andere war kein geringerer als das MudArt-Raubein Heiko Moorlander.
„So glücklich kamen wir nie wieder zusammen“, erzählte mir Heiko Moorlander, „Schulfreund Uwe stand nie auf der privilegierten Seite des Lebens. Er wuchs in prekären Verhältnissen bei seiner Großmutter auf, die noch die althergebrachten Erziehungsmethoden ihrer Eltern anwendete“. Moorlander machte eine peitschende Geste und verriet mir die Geschichte seines Freunds aus Kindertagen. In der Schule wurde der Junge gemobbt. Als junger Mann geriet er in Konflikt mit dem Gesetz (der unsägliche §175!). In ihren Zwanziger Jahren verloren sich die beiden Freunde aus den Augen. Heiko ging nach Amerika und wurde ein berühmter Künstler. Uwe verschwand. „Er war wie vorm Erdboden verschluckt, ich konnte ihn nicht mehr ausfindig machen, als ich nach Deutschland zurückkehrte. Auch später nicht, als Facebook und Wer-kennt-Wen aufkamen, wo man so ziemlich jeden alten Freund finden konnte …“, erzählte mir Heiko. (Auszug aus der Biografie von ‚One Leg Joe‘ –Joe Dineb).
Zwar gilt Joe Dinebs Biografie nicht unbedingt als zuverlässige Quelle, aber die Hinweise verdichten sich, dass da einmal etwas war, eine innige Freundschaft, ein glückliches Bubenleben bevor die großen, weltbewegenden Sorgen und Ängste Krater in die Oberfläche der wie zum Planet gewordenen, dahindriftenden Menschen zu reißen begannen. Ein schlichter Tweet von @stachelvieh bringt es auf den Punkt, respektive auf den Weg.
„auf den Weg gebracht“ – auch so eine Formulierung. Was alles auf den Weg gebracht wurde … und sich seitdem als bewegungsunfähige Stolperfalle herausstellt. Weil eben meist es nicht reicht, etwas auf den Weg zu bringen.
So wirkt Heiko Moorlanders Installation und der wohl deutlichste Hinweis auf den einstigen Freund wie ein Mahnmal. „Schulfreund Uwe“ wurde im Rahmen der zweiten MudArt-Biennale im Schweizer Mekka der Schlammkunst, Gunten, als dauerhafte Maschineninstallation realisiert. Ein alter Traktor. Die Reifen platt. Unter dem Motorblock eine Lache Öl. Maschinenteile ringsum. Für immer stillgelegt. Auch diese Maschine wurde einst auf den Weg gebracht. Wie Uwe, wie Heiko, wie all die anderen Menschen ihrer Generation.
Wozu, wozu, wozu? Der eine bleibt liegen, der andere stagniert erfolgreich voran bis an die Spitze, wieder einer richtet es sich im Leben gut ein und manche verschwinden schlicht und ergreifend. Die Suche nach dem Sinn des Lebens, nach einer Antwort, spiegelt sich in keinem anderen Kunstwerk im öffentlichen Raum in der Schweiz mehr, als in Moorlanders „Schulfreund Uwe“. Tinguely hätte seine Freude. (Ueli Baumgart, Thuner Schlammblatt).
Eine strenge, gerade Fahrspur inmitten eines hochreifen Weizenfelds. Dunkle Schluchten, wenn man so will, in denen sich imaginäre Wandergnome verlieren auf ihrem Weg nach … ja, nach wo denn eigentlich? Fluxus in der Mudart. Fluxus und Mudart. Mudartfluxus. Das eine schließt das andere nicht aus und dazu noch ein Hauch postpostmoderner Vanitas.
Was zunächst klingt wie ein kruder Genremix, der nur schwer seinen Weg in die hohe Kunst findet, geschweige denn einen Marktwert erzielen könnte, entpuppt sich als filigranes Kunstwerk ohne Bestand.
Längst ist die Ernte eingebracht, der Acker gepflügt, das Korn gemahlen und an die Säue verfüttert, aber auf magische Weise besteht Moorlanders ‚Hommage à Struve‘ in den Köpfen der Wenigen, die es live miterlebt haben. Eine Handvoll internationaler Mudart-Fanatiker, die es sich nicht entgehen ließen, das einzigartige Kunstwerk im Entstehen und Vergehen zu beobachten. (Georg Knirr für den Zweibrücker Landboten im Hochsommer 2019).
Zweibrücken, Moorlanders Heimatstadt in der Jugend, eine Kleinstadt in der Südwestpfalz, Hochschulstandort … und Geburtsort des Erfinders des Kreiselkompass, Hermann Anschütz-Kaempfe.
Vielleicht rührt Moorlanders Faszination für Geografie und Messtechnik in dieser unbewussten Nähe zu Anschütz-Kaempfe? Schon als Teenager beschäftigte sich der Mudartist mit Messtechnik, Standortbestimmung und mit dem arktischen Struvemessbogen, der sich von Hammerfest unweit des Nordkaps bis zum Schwarzen Meer zieht. Die Ansammlung von Messpunkten auf Anhöhen und Kirchtürmen zieht sich über 3000 Kilometer weit von Nord nach Süd und ermöglichte im 18. Jahrhundert eine beispiellos genaue Vermessung der Welt.
Die Technik der Triangulation kam auch zum Einsatz bei der Konstruktion seiner Hommage à Struve.
Unschwer erkennbar die schnurgerade Linie, und eine nonchalante Abweichung auf halber Höhe und der tiefe Symbolwert eines dreieckigen dunklen Lochs etwas abseits. (Georg Knirr).
Um die Triangulation möglichst exakt umzusetzen nutze Moorlander drei verschiedene Fahrzeuge, ein sogenannter Master, den er selbst steuerte und zwei per Funk angebundene Dependents, die er fernsteuerte.
Triangulation ist eine geometrische Methode der optischen Abstandsmessung durch genaue Winkelmessung innerhalb von Dreiecken. Die Berechnung erfolgt mittels trigonometrischer Funktionen. Vereinfacht könnte man auch sagen, dass von zwei Punkten, deren Abstand bekannt ist, Winkelmessungen zu beliebig anderen Punkten im Raum erfolgen, um deren Lage eindeutig zu bezeichnen. Siehe -> Triangulation auf Wikipedia.
Das einzigartige, fluxistische Schlammkunstwerk entstand im Hochsommer 2019 auf einem privaten Acker auf der Sickinger Höhe, nördlich von Zweibrücken.